Anpruggen-Koatlackn-Initiative „Stoppt den Abriss von St. Nikolaus“

Montag, 06. Oktober 2014 14:00

Anpruggen-Koatlackn-Initiative „Stoppt den Abriss von St. Nikolaus“
von Michael Guggenberger, sanktnikolaus@saegewerk.org

Blick vom Bäckerbichl

Blick vom Bäckerbichl

Es fanden sieben etwa einstündige Rundgänge durch die „Koatlackn“ statt (Route: St. Nikolausgasse bis Bäckerbichlgasse, Bäckerbichlgasse, Fallbachgasse bis Kirche, St. Nikolausgasse zurück):

1. Rundgang (14.6.2012) mit Katharina Cibulka (Koordinatorin Beteiligungsprozess „Anpruggen“), Christian Kayed (Storyguide), Renate Krammer-Stark (Gemeinderätin), Sonja Pitscheider (Vizebürgermeisterin).
2. Rundgang (2.7.2012) mit Karl Gostner (Tourismusverband), Hermann Hell (Innsbrucker Verschönerungsverein), Gabriele Neumann (Bundesdenkmalamt), Rudolf Palme (Architekt), Wolfgang Sölder (Archäologe, TLMF), Irene Zelger (Stadtplanung).
3. Rundgang (12.7.2012) mit Christoph W. Bauer (Schriftsteller u. Anrainer); Hansjörg Grießer (Architekt), Christoph Hölz (Archiv für Baukunst, Mitglied des Sachverständigenbeirats nach dem Stadt-und Ortsbildschutz), Magdalena Hörmann (Mitglied des Sachverständigenbeirats nach dem Stadt-und Ortsbildschutz), Barbara Lanz und Martin Mutschlechner (Architekten „Stadtlabor“), Renate Mairoser (Kunsthistorikerin im Stadtarchiv), Lukas Morscher (Stadtarchivar), Michael Unterberger (Land Tirol, Abteilung Landesentwicklung und Zukunftsstrategie, Sachgebiet Raumordnung, Fachbereich Örtliche Raumordnung; Mitglied des Sachverständigenbeirats nach dem Stadt-und Ortsbildschutz), Thomas Unterkircher (Stadt Innsbruck, Stadtplanung – Bauberatung, Gestaltung , Ortsbildschutz; Mitglied des Sachverständigenbeirats nach dem Stadt-und Ortsbildschutz).
4. Rundgang (16.7.2012): Krista Hauser (Kulturjournalistin), Arno Heinz (Architekt), Bernhard Nicolussi Castellan.
5. Rundgang (23.7.2012): Gerhard Fritz (Stadtrat für Stadtentwicklung, Stadtplanung etc.), Michael Steinlechner (Architekt), Astrid Tschapeller (Architektin u. Mitglied des Sachverständigenbeirats), Nicola Weber (Architektin, Mitarbeiterin Straßenzeitung 20er).
6. Rundgang (8.8.2012): Edith Schlocker (Kulturjournalistin)
7. Rundgang (14.8.2012): Harald Stadler (Institut für Archäologien, Uni Ibk), Andreas Hauser (Journalist)

Einiges, was sich bei den Rundgängen ergeben hat in Stichworten (siehe auch Statements einzelner Personen):
– Obwohl der Großteil der historischen Häuser in St. Nikolaus im Baukern  bzw. in den Grundmauern mittelalterlich oder frühneuzeitlich (16. Jh.) ist, dreht sich die „Abrissspirale“ immer schneller.
– Was momentan in St. Nikolaus geschieht, verursacht irreparable Schäden an Häuserensembles, Straßenzügen und somit am Stadtbild (vgl. zB Stellungnahme Chr. Hölz) und hat zugleich soziale Auswirkungen (etwas strapaziertes Stichwort „Gentrifizierung“).
– St. Nikolaus ist geographisch in drei Richtungen ziemlich abgeschottet (Inn, Nordkette, Hoher Weg), daraus resultiert in Kombination mit der im Verhältnis zu anderen Stadtteilen auf Grund der Gebäudegegebenheiten geringeren Bevölkerungsdichte mit relativ hohem Anteil an „alt eingesessenen“ Familien ein nach wie vor leicht dörflicher Charakter der Solzialstruktur. Dieser Charakter wird auch z. B. in der Volksschule spürbar (nur 4 Klassen). Diese sensiblen Strukturen können durch unbedachte Abrisse und Neubauten verbunden mit starken Ab- und Zuwanderungen zerstört werden.
– Wichtigkeit der Erhaltung historischer Bausubstanz muss den Hausbesitzern und der Öffentlichkeit besser kommuniziert werden.
– Denkmalamt ist überlastet und kann offenbar in der Koatlackn selbst mittelalterliche Gebäude nicht unter Schutz stellen (s. Schreiben G. Neumann), daher müssen noch andere Mechanismen zum Erhalt der Bausubstanz greifen.
– Die sogenannten Schutzzonen bieten derzeit den historischen Häusern zu wenig Schutz. Auch der in der Tiroler Bauordnung enthaltene Paragraph zur Erhaltung von „charakteristischen“ Gebäuden (landeskundliches Interesse) kommt nicht zum Einsatz (vgl. zB Stellungnahme M. Hörmann). Und ganz allgemein werden die Möglichkeiten im Rahmen der bereits bestehenden Gesetze nicht ausgeschöpft. Daher: Strengere Handhabung der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten und politisches Umdenken, um das, was nun noch vom ältesten Teil Innsbrucks erhalten ist für zukünftige Generationen zu bewahren.
– Zur Baugeschichte der Häuser in der Koatlackn ist sehr wenig bekannt. Es gab bisher keine eingehenden baugeschichtlichen Untersuchungen und keinerlei Grabungen. Mittelalterliche Häuser werden selbst vor dem Abriss nicht dokumentiert. – Eine Bauaufnahme mit Bauphasenplan  sollte der Entscheidung über einen Abriss vorausgehen. Archäologische Grabungen sollten den Abriss von Häusern begleiten (Bäckerbichlgasse 11 bietet sich dazu in idealer Weise an, weil hier in absehbarer Zeit nicht gebaut wird).
– Die architektonische (wie auch  teilweise die allgemein bauliche) Qualität der meisten Neubauten bzw. Bauprojekte in St. Nikolaus lässt sehr zu wünschen übrig (vgl. zB Statement K. Gostner). Gewinnmaximierung scheint oberstes Gebot. Mehr Architekturwettbewerbe.
– Vermehrt sollte die Entwicklung weg vom Abriss hin in Richtung Adaptierung, Um- und Ausbau bzw. Weiterentwicklung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gebäude gehen (Stichwort neue Architektur und historische Bausubstanz unter einem Dach. Positives Beispiel: Umbau in der Innstraße durch Daniel Fügenschuh).
– Bei der Sanierung von Altbauten gibt es für die Hauseigentümer auch zu wenig Unterstützung durch Fachkräfte, die eine substanzgerechte, sensible Renovierung bzw. Revitalisierung erst ermöglichen würden.
– Es sollten neue (finanzielle) Anreize zum Erhalt jahrhundertealter Bausubstanz geschaffen werden.
– Gebäude substanziell erhalten (es gibt nicht nur Fassaden sondern und v. a. auch „innere Werte“)
– Zuständige Ämter sind überlastet (nur Personalaufstockung kann hier Abhilfe schaffen).
– Die Schaffung einer Planstelle für einen Stadtarchäologen und Bauforscher ist eine Notwendigkeit (vgl. Alexander Zanesco in Hall; vgl. Stellungnahmen W. Sölder u. G. Neumann).
– Schutzzone auf die Stöckelgebäude (zweiter Reihe Innstraße) ausdehnen (hier gibt es tw. romanische Strukturen, so G. Neumann)
– Einrichtung neuer archäologischer Funderwartungszonen im Hinblick auf mittelalterliche und frühneuzeitlicher Siedlungsplätze zum Schutz und zur Erforschung der „Urgeschichte“ von Innsbruck.
– Der öffentliche Raum (die Gassen) gehört optisch aufgewertet, einladender gestaltet bzw. saniert (Gehsteige tw. entfernen, Kopfsteinpflaster ausbessern etc.; so zB. M. Mutschlechner/Stadtlabor).
– Die geplante Fußgängerroute vom Alpenzoo zurück in die Stadt (siehe K. Gostner) stellt eine Chance für ein Umdenken im Umgang mit den historischen Gebäuden der  St. Nikolausgasse dar.

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